Vom Tor zur Welt und dem Schlüssel dazu
Während beim Kongress des Weltseglerverbandes (world sailing) auf Bermuda bei 24 Grad die Sonne strahlte, ergossen sich ergiebige Novemberschauer über Bremen – stimmiger Rahmen für einen ungemütlichen Tag für die (Wasser-)Sportler von der Weser. Erst musste Werder Bremen in der Fußballbundesliga zuhause in der 90. Minute das 2:2 gegen Freiburg einstecken, und dann mussten am Abend im Rathaus zu Bremen die Seesegler der Stadt das 2:3 im Kampf um die „Ansgarkette“ gegen Hamburg hinnehmen. Doch der Reihe nach.

Einmal im Jahr ruft Bremen die Hochseesegler der Republik an die Weser, und die folgten der Einladung auch in diesem Jahr gewohnt zahlreich, um den traditionellen Hochseeseglerabend im altehrwürdigen Rathaus zu Bremen zu feiern und ihre Besten zu ehren. Rund 350 Hochseesegler sowie Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Sport und Verwaltung konnte die Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) zu ihrem mittlerweile 83. Hochseeseglerabend begrüßen – auch wenn der Kongress des Weltseglerverbandes World Sailing auf Bermuda und die Trans Ocean Jahreshauptversammlung in Cuxhaven einige Löcher in die Reihen riss. Dabei zeigte sich die Veranstaltung 2019 deutlich jünger und weiblicher als in den Vorjahren. Zwei Referentinnen, drei 17-Jährige sowie die beiden 90-Jährigen Uwe Schulte (67 Jahre SKWB-Mitglied) und Felix Scheder-Beschin (41 Jahre Mitglied/Hamburgischer Verein Seefahrt) bildeten dabei das gesamte Spektrum der Gästeschar ab.

Unmittelbar nach dem Ende der aktiven Segelsaison ist dieser Abend alljährlich das herausragende Treffen der deutschen Hochseesegler-Szene, bei dem die besten Leistungen im Offshore-Segeln während der zurückliegenden Saison mit renommierten Preisen ausgezeichnet werden. Und auch die 83. Auflage der Traditionsveranstaltung bot neben den Preisverleihungen interessante Vorträge und beeindruckende Filme und Bilder, die das Hochseesegeln aus neuen Perspektiven beleuchteten.
Frei nach dem Shakespeare-Zitat „We must take the current when it serves“ (Wir müssen, wenn der Strom uns dient, ihn nutzen) berichteten Dr. Henrike Thomssen (SKWB) und Katrina Westphal (Hamburgischer Verein Seefahrt) von beeindruckenden Reisen – zum einen auf den Spuren der zweiten deutschen Grönlandexpedition von 1869, zum anderen beim Fastnet Race 2019, 40 Jahre nach dem Schicksalsrennen von 1979.
Nach der seemännischen Einstimmung auf den Abend wanderte die Gästeschar in die historische Obere Halle des Rathauses. Dabei wurde die halbe Stunde des Ortswechsels intensiv fürs Netzwerken genutzt. DSV-Vizepräsident Clemens Fackeldey, DSV-Generalsekretär Dr. Germar Brockmeyer, DBSV-Präsident Torsten Conradi, Dietmar Reeh (Präsident des Bayerischen Seglerverbandes), HSC-Kommodore Harald Baum (Pantaenius), Birgit Bergmann (Abgeordnete Bremische Bürgerschaft), Behrend Beilken (dreimaliger Admiral’s Cup-Sieger), Peter Kohlhoff (Eigner Kohlhoff GmbH), Jörg Müller-Arnecke (Geschäftsführer „sailskin“, Tochterfirma von Beilken), Morten Nickel („Sportsfreund“), Uwe Wenzel (Wettfahrtleiter), Jürgen Klinghardt (RVS-Schatzmeister), Martina Georgus (Daniel Georgus), Kai Wendt (Pantera), Jochen Orgelmann (langjähriger Vorsitzender und Vorgänger von Michael Rapp), Ole Pietschke (Pantaenius), Christian Teichmann (2. Vorsitzender Deutscher Touring Yacht Club), Matthias Claussen (DGzRS-Vorstand), Nikolaus Stadeler (DGzRS-Geschäftsführer), Klaus Steinkamp (Schatzmeister des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen), Henning Rocholl (ehemaliger NRV-Geschäftsführer und Organisator des Transatlantik-Rennens DCNAC) und Tobias König (NRV-Präsident) erfuhren dann, dass die Bremer Bürgermeisterin Dr. Maike Schaefer eine begeisterte Seglerin ist. Mit launigen Worten überbrachte die Ostseeseglerin die Grußworte der Freien Hansestadt Bremen.
Nach dem traditionellen Grünkohlessen, einigen Bierchen aus dem Hause Beck’s und dem einen oder anderen Alten Hullmann ging es zum Abschluss des Abends an die Verleihung der „Ansgarkette“. Die begehrte Auszeichnung wird traditionell zwischen der SKWB und dem Hamburgischen Verein Seefahrt und deren Vereinsyachten „Bank von Bremen“ und „HASPA Hamburg“ ausgesegelt. Die Yachten trafen 2019 in fünf Regatten aufeinander, bei denen die „HASPA Hamburg“ im direkten Vergleich drei Siege für sich verbuchen konnte. Damit ging die „Ansgarkette“ in diesem Jahr nach Hamburg. Die Bremer zeigten sich dabei als faire Verlierer – auch wenn das gegen Hamburg stets schwerfällt.
Und zu guter Letzt kam dann auch noch das Schlusswort aus Hamburg. Dabei wagte NRV-Präsident Tobias König einen Blick in die Zukunft des Seesegelns. Segel aus Jute und Papier, mehr Inklusion, mehr Frauen an Bord, große Flotten nur noch bei prestigeträchtigen Regatten wie Fastnet-Race oder Sydney Hobart, der Trend zu kleinen Crews (Silverrudder/Einhand) und Doppelhand seien die Zukunft, so König. Und darüber hinaus werde das Prinzip Shipsharing künftig an Bedeutung gewinnen, ergänzte der Hamburger. „Wir müssen die Jugend erreichen und kämpfen dort um deren Zeit, um die Freizeit. Ich glaube an das boat to go“, erklärte König und rief zur Zusammenarbeit der Bremer und Hamburger auf. Ein vernünftiger Vorschlag, denn was nutzt das Tor zur Welt ohne den Schlüssel dazu. Wer das letzte Wort dann bei der Fortsetzung des Abends in der StäV hatte, ist nicht protokolliert.
Die traditionelle Sammlung zugunsten der DGzRS erbrachte an diesem Abend 5882,23 Euro, eine Schwedische Krone und einige Britische Pfund. (Hermann Hell)