Die vielleicht besten Yachten der Welt kommen aus Plön. Das meint jedenfalls ein englisches Segelmagazin. sail24.com geht den Geheimnissen der Sirius-Werft auf den Grund
“Ist dies das beste Boot, das je gebaut wurde?” fragte das englische Segelmagazin Yachting Monthly nach dem Test der Sirius 35 DS im Jahr 2010. Die Redaktion arbeitet mit einem Punktesystem, demnach die Yacht aus dem schleswig-holsteinischen Plön die höchste je vergebene Punktzahl erreichte. Mit der Sirius 35 DS erfand sich die seit 1970 bestehende Werft neu.
Der heutige Werfteigentümer Torsten Schmidt war 1995 zu einer spannenden Zeit in den Betrieb gekommen. Auf der einen Seite hatte sein Vater eine Marke aufgebaut, die für gut segelnde, komfortable Fahrtenyachten stand. Auf der anderen Seite stand dem Betrieb der große Sprung in das 21. Jahrhundert und hin zu einer internationalen Kundschaft noch bevor. Mitte der 1990er war die Umstellung des Betriebs auf computergestützte Abwicklung noch in vollem Gange. Die Kundschaft war im Wesentlichen noch im deutschsprachigen Raum beheimatet.
Werftchef Torsten Schmidt
Es war außerdem die Zeit der Positionierung zwischen reiner Serienfertigung und Individualbauten. Der Junior entwickelte zunächst als Produktionsleiter das neue Design der Sirius 32 DS und später das der 38 DS mit und ordnete die Produktionsvorgänge neu. Mit der Übernahme der Geschäftsleitung 2001 legte Torsten Schmidt dann den Fokus noch stärker auf Individualisierung. Man begann, ein internationales Publikum anzusprechen und ging einige Zeit später die Modernisierung der gesamten Linie an.
Salon auf Höhe des Decks
Der erste Schritt dazu war der Entwurf der oben so gelobten Sirius 35 DS. Zunächst trug Schmidt mit seinen Mitarbeitern 2008 zusammen, was sie über die Erwartungen und Wünsche ihrer oft treuen Kundschaft wussten. Dabei kamen ein paar Standards heraus, die für so gut wie alle Sirius-Kunden unverzichtbar waren: unter anderem zwei gleichwertige Doppelkabinen, ein großzügiges WC, eine separate Dusche, ein Technikraum und ein Innensteuerstand.
In den Werfthallen in Plön findet inzwischen nur noch der Innenausbau statt.
Im nächsten Schritt ging es darum, einen Raum zu entwerfen, in dem all diese Wünsche Platz finden würden. Hier zahlte sich das in dieser konsequenten Form einzigartige Deckssalonkonzept von Sirius aus. Die Deckssalonidee von Vater Schmidt ging auf einen verregneten Sommertörn 1988 zurück, den die Familie zum großen Teil an Bord einer Sirius 31 ‚im Keller‘ unter Deck verbrachte. Zurück in Plön entwarf der Senior einen neuen Aufbau, welcher der Idee folgte, den Salon auf Höhe des Decks anzuheben. Seitdem perfektioniert die Werft das Konzept der einheitlichen Sichtebene: Ob sitzend im Salon, sitzend im Cockpit oder stehend in der Pantry – die Sichtebene ist immer gleich. Was nicht nur dazu führt, dass die Crew bei Regen nicht mehr im Keller sitzen muss, sondern auch dazu, dass Innen und Außen zusammenwachsen. Der auf Deckshöhe angehobene Salon schuf zugleich die Möglichkeit, den Raum darunter zu nutzen und das Boot auf anderthalb Etagen auszubauen.
Doppelkabine unterm Salon
Unter dem Salon liegen je nach Eignerwunsch beispielsweise eine komplette Doppelkabine und ein Technikraum. Durch diesen Trick bietet eine Sirius-Yacht bestimmter Länge immer den Raum einer größeren Yacht. Was nun noch fehlte, war ein Rumpf, der modernen Erkenntnissen des Yachtdesigns Rechnung tragen und die Linie der Sirius-Werft behutsam erneuern konnte. Die älteren Sirius-Modelle stammten noch aus der Feder Heribert Streuers, die jüngste Sirius 38 kam von Georg Nissen.
Für die gewünschte Modernisierung der Rumpfform und des gesamten äußeren Erscheinungsbildes lobte die Werft 2008 einen Wettbewerb aus. Torsten Schmidt bat vier Büros um je zwei Designvarianten. Nach der ersten Runde waren noch zwei Teams davon im Rennen, darunter der Kappelner Yachtdesigner Marc-Oliver von Ahlen, der schließlich für seinen Entwurf den Zuschlag erhielt und später auch die Sirius 310 DS und die 40 DS entwickelte.
Modernisierter Aufbau
Von Ahlen strich den traditionellen, leicht kantigen Sirius-Aufbau aus Holz, der immer etwas nach Motorsegler aussah, und verpasste der Yacht einen fast futuristischen GFK-Aufbau mit einem umlaufenden dunklen Fensterband. Es gibt zwar auch in der neuen Linie eine Holz-Variante für den Aufbau, aber beinahe alle Kunden entscheiden sich für das modernere Modell. Von Ahlen modernisierte die Rumpfformen jedoch nicht nur optisch (breites Heck, steiler Steven), sondern verlieh den eher schweren Fahrtenyachten damit auch gute Segeleigenschaften. Die Werft bietet fünf verschiedene Tiefgangsvarianten an – vom Schwenkkiel über den Kimmkiel bis hin zu unterschiedlich tiefen Mittelkielvarianten. Moderne Optik und gute Segeleigenschaften brachten, was Werftchef Schmidt sich erhofft hatte: einen neuen Kundenkreis, der sich selber zuerst gar nicht als Deckssalonsegler sieht. Die Strategie: Die treuen Sirius-Kunden, die sich zum Beispiel vergrößern möchten oder modernisieren wollen, kennen die Werft ohnehin. Doch die neue Linie macht die Yachten auch für Segler attraktiv, die bisher vielleicht zuerst bei skandinavischen Werften wie Hallberg-Rassy, Najad oder auch X-Yachts nach ihrem neuen Boot gesucht hätten. Und, was für eine Werft in diesen Tagen wichtig ist: Dieser Kundenkreis ist jünger als die bisherige Sirius-Kunden.
Es ist die Mischung aus Deckssalon, Bauqualität und Individualisierung.
Das einzigartige Deckssalonkonzept ermöglicht der Werft, ihren Kunden ein hohes Maß an Individualisierung anzubieten. Auch wenn viele Ideen schon einmal ausprobiert wurden, gleicht keine Sirius-Yacht der anderen. Dabei wird der Ausbau nicht für jedes Boot völlig neu gezeichnet, sondern die Kunden wählen aus einer Palette von Varianten. Im Detail haben die Kunden dann viel Freiheit bei der Konzipierung ihrer Yacht. Der Produktionsvorlauf liegt bei ungefähr einem Jahr.
Präzisionsarbeit ist ein absolutes Muss.
Torsten Schmidt meint, dass sich dieser Vorlauf eher positiv auswirkt. So können Werft und Kunde sich in Ruhe besser kennenlernen. Das ist auch nötig, denn für eine erfolgreiche Individualisierung muss die Werft zunächst herausfinden, was für ein Typ Segler ihr Kunde ist. In der Ausbauphase kann der Kunde dann den Produktionsprozess begleiten und dabei zusehen, wie seine Wünsche umgesetzt werden. Bei Sirius begleitet ein Team eine Yacht von Anfang bis Ende und kommuniziert auch direkt mit dem Eigner.
Individueller Ausbau
Ein weiteres Merkmal der Werft in Plön ist die hohe Bauqualität. Lange Zeit sind die Rümpfe und Decks dort im Handauflegeverfahren gefertigt worden. Erst seit einigen Jahren lässt Torsten Schmidt sie auf einer größeren Werft in Polen bauen. Der Verlagerung gingen gegenseitige Besuche und Hospitationen voraus. So kennen die polnischen Bootsbauer den Betrieb und wissen, was verlangt wird, und die deutschen Bootsbauer wissen, was der Betrieb in Polen alles leisten kann.
Regelmäßige gegenseitige Besuche dienen der Qualitätssicherung. Auf dem eigenen Gelände war die Werft an ihre Grenzen gestoßen, sie wurde Opfer des eigenen Erfolgs. Der Betrieb konnte zwar 2005 auf das Nachbargrundstück expandieren, aber mehr Platz gibt es vor Ort einfach nicht. So musste Torsten Schmidt definieren: „Was können andere genau so gut oder besser? Was können wir, was kein anderer kann?“ Die Folge war die Auslagerung der Rumpffertigung.
Deswegen kommen die Sirius-Yachten jetzt als fertige Kaskos in Plön an, und die Werft konzentriert sich auf den Ausbau nach Kundenwunsch und in hoher Qualität. Beispielsweise kauft Schmidt für den Ausbau ganze Baumstämme auf und lässt auch die Sperrholz- und Sandwich-Platten selber mit den Furnieren belegen. Alle Ausschnitte aus den Platten werden später zu Türen oder Fronten. Das hat zur Folge, dass der Innenausbau einer Sirius-Yacht immer wie aus einem Guss wirkt.
Torsten Schmidt ist überzeugt – es ist die Mischung aus Konzept, Individualisierung und Bauqualität, die dem Betrieb in den letzten Jahren das Wachstum beschert hat. Sirius-Yachten verkaufen sich international, und das heißt gegen weltweite Konkurrenz. Fast ein Drittel geht auf die britischen Inseln, ein Drittel liegt an der Ostsee und ein Viertel im Mittelmeer. Der Rest ist auf großer Fahrt, denn das ist die DNS von Sirius-Yachten: Fahrtensegeln.
Ein sehr interessanter Bericht über ein hoch interessantes Produkt. Hat unser Interesse in vieler Hinsicht geweckt.
Gerhard Clemenz